Freitag, 26. Juni 2009

Warum sind Kieselalgen so erfolgreich?

Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts finden Hinweise in der Evolution dieser Algen

Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts:
Foto: Richard Crawford

Bremerhaven, 26. Juni. Kieselalgen (Diatomeen) spielen eine Schlüsselrolle für die Photosynthese in den Weltmeeren und werden deshalb intensiv untersucht. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft haben in internationaler Zusammenarbeit eine neue Entdeckung zur Evolution der Photosynthese in Diatomeen gemacht. Bisher ging man davon aus, dass Diatomeen ihre Fähigkeit zur Photosynthese ausschließlich von Rotalgen geerbt haben. Die Molekularbiologen haben jetzt gezeigt, dass sich im Genom der Diatomeen erhebliche Mengen an Erbmaterial finden, das von Grünalgen abstammt. Die photosynthetischen Zellstrukturen der Diatomeen, vereinen somit Eigenschaften aus Rotalgen- und Grünalgenvorfahren, was ihren enormen Erfolg in den Weltmeeren erklären könnte. Die Ergebnisse werden nun in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Science“ vorgestellt.

Die Photosynthese, Basis allen Lebens auf der Erde, wird je etwa zur Hälfte auf dem Land und im Meer erbracht. An Land sind vor allem komplexe grüne Pflanzen dafür verantwortlich, in den Meeren die Algen und zwar vorwiegend einzellige Vertreter. Darunter stellen die Kieselalgen (Diatomeen) mit einem Anteil von etwa 40 Prozent die wichtigste Gruppe.

Landpflanzen, Rot- und Grünalgen unterscheiden sich in ihrer evolutionären Geschichte grundsätzlich von den Diatomeen: Sie entstammen der Symbiose eines photosynthetischen Bakteriums (Cyanobakterium) mit einer höher entwickelten, farblosen Wirtszelle mit Zellkern (eukaryotische Zelle). Da dabei eine Zelle als Symbiont in einer anderen Zelle lebt, nennt man den Vorgang Endosymbiose. Im Ergebnis entstanden so die photosynthetischen Organellen in Pflanzen- und Algenzellen, die Plastiden oder Chloroplasten.

Auch Diatomeen besitzen Plastiden, doch diese entwickelten sich, in dem zwei höhere Zellen miteinander verschmolzen: Eine eukaryotische Wirtszelle nahm einen photosynthetischen Rotalgen-Einzeller auf. Bei dieser sekundären Endosymbiose entstehen so genannte sekundäre Plastiden. Bisher ging man davon aus, dass die aufnehmende Zelle farblos und nicht photosynthetisch war. „In einer internationalen Zusammenarbeit gelang es uns zu zeigen, dass die aufnehmende Wirtszelle bereits Chloroplasten besaß, die denen von Grünalgen ähneln. In den Genomen von zwei Diatomeen-Arten konnten wir Spuren dieser „kryptischen“ Chloroplasten entdecken“, erklärt Klaus Valentin, Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.

Tatsächlich fänden sich in den Genomen sogar mehr Spuren des Grünalgen- als des Rotalgen-Vorfahren. Daraus könne man schließen, dass die Plastiden heutiger Diatomeen tatsächlich eine Mischform aus zwei Plastidentypen, denen aus Grünalgen und Rotalgen, darstellen. „Diatomeen verfügen dadurch wahrscheinlich über mehr stoffwechselphysiologisches Potenzial als jede der beiden Ausgangstypen einzeln, was den großen Erfolg der Diatomeen in den Meeren erklären könnte“, so Valentin weiter. „Ihre Plastiden könnten quasi das „Beste beider Welten“ vereinen.“Mittlerweile haben Valentin und sein Kollege Bànk Beszteri Spuren einer grünen Endosymbiose auch in anderen Meeresalgen entdeckt, die ähnlich wie Diatomeen ebenfalls aus einer sekundären Endosymbiose hervorgegangen sind. Dazu gehören beispielsweise die Braunalgen. „Unser nächstes Ziel ist es nun herauszufinden, welchen Vorteil diese Form der Symbiose den Meeresalgen genau gebracht hat. Wir wollen diesen Vorteil quantifizieren und die Stoffwechselwege identifizieren, die in Diatomeen zusätzlich vorhanden sind oder besser funktionieren als in Rot- oder Grünalgen alleine. Vielleicht können wir so verstehen, warum die Algen mit sekundären Plastiden in den Meeren so erfolgreich sind während an Land Pflanzen mit primären Plastiden das Rennen gemacht haben.“
Ansprechpartner im Alfred-Wegener-Institut ist Klaus Valentin

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